Viele Wörter in unserer Sprache können wir als Zeichen verstehen, die etwas in der äusseren Welt bezeichnen. Nehmen wir als Beispiel das Wort "Tisch". Es bezieht sich auf ein Möbelstück, bei dem eine rechteckige oder runde horizontale Platte auf Füssen steht. Es liegt damit das vor, was in Abbildung 16 in "Menschwerdung" Referenzbeziehung genannt ist. Die Existenz eines solchen Möbelstücks wie auch die Existenz des zugehörigen sprachlichen Begriffs wäre für uns aber nicht interessant, wenn nicht beide sich gegenseitig entsprechend in einem grösseren Zusammenhang stehen, aus dem sich die Bedeutung eines Tisches ergibt. Dieser Zusammenhang ist ein Verweisungszusammenhang: Der Tisch verweist darauf, dass Stühle dazu gehören, diese wiederum geben die Möglichkeit an, dass sich Menschen darauf setzen können, diese letzteren ihrerseits, wenn sie sich um den Tisch setzen, lassen daran denken, dass sie dies tun können, um gemeinsam zu essen, wobei die Tischplatte die Möglichkeit bietet, das Essen daraufzustellen, usw. Aus einem solchen Zusammenhang ergibt sich also die Bedeutung eines Tisches. Man sagt, der Begriff "Tisch" stehe in Sinnbeziehungen zu andern Begriffen (vgl. mit Abbildung 16 in "Menschwerdung"). Im ganzen gesehen stellt der Begriffsvorrat unserer Sprache komplexe Sinnzusammenhänge dar. Dabei nehmen Begriffe (wenn es sich nicht um abstrakte Begriffe handelt) wie gesagt auf Objekte in der Umwelt Bezug. Der Sinn oder die Bedeutung, die sie darüber hinaus haben, ist aber eine kulturelle Konstruktion. Für uns macht die Vorstellung eines Tisches Sinn, während in einer Kultur, in der die Leute gewöhnt sind, auf dem Boden zu sitzen, dies nicht der Fall ist. Z.B. gibt es im Nepali ursprünglich kein Wort für "Tisch". Erst in neuerer Zeit ist dafür in Anlehnung an das englische "table" das Wort "tebul" kreiert worden.
Die Tatsache, dass Sinnzusammenhänge kulturelle Konstruktionen sind, heisst aber auch folgendes: Insofern sich Begriffe innerhalb dieses Zusammenhangs auf die äussere Wirklichkeit beziehen, ist auch die Art und Weise, wie diese Wirklichkeit wahrgenommen und welche Bedeutung ihr zugemessen wird, eine Konstruktion. Deshalb reden Berger und Luckmann von der "gesellschaftlichen Konstruktion der
Wirklichkeit".33Peter Berger und Thomas Luckmann 1989.
Was wir uns über die Welt um uns herum vorstellen, ist nicht einfach ein vereinfachtes Abbild derselben, sondern es ist bis zu einem gewissen Grade eine eigene Welt, die der wirklichen Welt nur mehr oder weniger, oft mehr schlecht als recht, gerecht wird. Hier haben wir somit nochmals einen Aspekt menschlicher Gesellschaftenw, der mit Umweltzerstörung zu tun haben kann. Wenn nämlich Referenzbeziehungen zu Objekten in der Umwelt ganz fehlen oder wenn die entsprechenden Begriffe in einem Sinnzusammenhang stehen, der ökologisch unverträglich ist, wird sich das entsprechend auswirken, wenn wir nach Massgabe dieses Zusammenhangs umweltrelevant handeln.