2.
"Kultur" wird als Oberbegriff verwendet, "Gesellschaft" als Unterbegriff oder umgekehrt. Z.B. ist nach dem Wörterbuch der Soziologie von Wilhelm Bernsdorf unter "Gesellschaft" die soziale Lebensform der Menschen, die Art und Weise, wie sie ihr Zusammenleben organisieren, zu
verstehen.1Wilhelm Bernsdorf 1972: 287.
Zu "Kultur" heisst es im gleichen Wörterbuch: Sie "ist die Gesamtheit der typischen Lebensformen einer Bevölkerung, einschliesslich der sie tragenden Geistesverfassung, insbesondere der Wert-Einstellungen." Und weiter: "Die 'typischen Lebensformen' umfassen auch die technischen Grundlagen des Daseins samt ihren materiellen Substraten ... Es steht nichts im Wege, die materiellen Bestandteile ... als 'materielle Kultur' zu
bezeichnen."2Bernsdorf 1972: 479.
Insgesamt tönt dies so, wie wenn "Kultur" ein übergeordneter Begriff wäre, der "Gesellschaft" einschliesst. Der Zürcher Soziologe Hans-Joachim Hoffmann-Nowotny dagegen weist darauf hin, dass umgekehrt oft von der "Kultur" einer "Gesellschaft" gesprochen wird, wobei dann also der letztere Term zum Oberbegriff
wird.3Hans-Joachim Nowotny 1989.
Im Lexikon der Soziologie von Günter Hartfiel heisst es z.B. unter dem Stichwort "Gesellschaft": Umstritten ist, welches die ursächlichen Bestimmungsfaktoren von Gesellschaft sind: ob Gesellschaft über Prozesse der Institutionalisierung von Kultur, d.h. über eine allgemeine Anerkennung von bestimmten (religiös, ethisch, moralisch usw. begründeten) Werten und deren Präzisierung zu Anweisungen, Regeln und Normen für menschliches Handeln sich bildet; oder ob Gesellschaft ein Resultat bestimmter (entweder 'natürlicher' oder bereits immer von Menschen durch Arbeit umgestalteter) materieller Daseinsbedingungen
ist.4Günter Hartfiel 1976: 227.