Diese und andere Theorien gerieten wegen ihres Postulats einer gerichteten Entwicklungssequenz vor der Jahrhundertwende in Misskredit. In neuerer Zeit sind aber derartige Ideen in modifizierter Form wieder aufgegriffen worden. Eine spezielle Spielart des Fortschrittsdenkens ist die Theorie der Modernisierung, die sich in erster Linie an der wirtschaftlichen Entwicklung der Neuzeit orientiert. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden dabei die zur Weltmacht aufgestiegenen USA zum erstrebenswerten Vorbild. Z.B. war der Soziologe Talcott Parsons, selbst Amerikaner, überzeugt, dass die USA an der Spitze der Entwicklung der Industrieländer stünden. Mit Modernisierung ist also eine Entwicklung westlichen Stils gemeint, und im Zusammenhang mit der Problematik der Dritt-Welt-Länder kamen denn auch typischerweise Begriffe wie "Unterentwicklung" und "Entwicklungshilfe" auf. Nach dem deutschen Soziologen Wolfgang Zapf befasst sich die Modernisierungstheorie "mit einer epochalen, langfristigen, nicht selten gewaltsamen Transformation, die in Westeuropa begonnen, dann aber die ganze Welt in ihre Dynamik einbezogen
hat."50Aufgrund eines Manuskriptes von Wolfgang Zapf von 1974, zitiert in Hans-Ulrich Wehler 1975: 5-6.
Wie wir später sehen werden, können wir in diesem Prozess die Entwicklung zur ökonomischen Gesellschaft
w erkennen, die also nach der Theorie der Modernisierung als etwas Erstrebenswertes erscheint. Dass diese in vielerlei Hinsicht nicht zu einem Fortschritt führt, ist aber spätestens seit der Existenz der ökologischen Krise klar geworden.