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Kulturelle Evolution: Einführung und Übersicht

Kulturelle Evolution

Vorbemerkung
1. Begriffliches
1.1 Gesellschaft und Kultur
1.2 Superstruktur, Struktur und Infrastruktur
1.2.1 Infrastruktur
1.2.2 Struktur
1.2.3 Superstruktur
1.2.4 Einige Überlegungen zum Umweltbezug
1.2.5 Ein Hinweis auf Rudolf Steiner
2. Aspekte einer Gesellschaftstheorie
2.1 Individuum und Gesellschaftw
2.2 Ein Blick auf die Strukturationstheorie von Giddens22
Siehe Anthony Giddens 1984, deutsche Übersetzung Giddens 1988.
2.3 Kulturelle und gesellschaftliche Regeln
Bei einer detaillierteren Betrachtung können wir je nach interessierender, auf die Dreiteilung (vgl. 1.2) bezogener Ebene Arten von Regeln unterscheiden. Dann können wir auch feststellen, dass zwischen den Ebenen, aber z.T. auch innerhalb von ihnen eine gewisse Hierarchie spielt. Nehmen wir ein Beispiel, das die Superstruktur (Kulture) mit ihrer Orientierungs- und die Struktur (Gesellschafte) mit ihrer Organisationsfunktion betrifft. Dazu zeigt Abbildung 3 den fiktiven Fall einer Person, deren Leben sich in einem regelhaften Beziehungsmuster abspielt, das auf für unsere moderne Gesellschafte typischen Organisationsformen beruht: Eine alleinstehende Frau lebe mit einem Kind zusammen, sie habe eine Teilzeitstelle bei einer Firma und sie mache bei einer politischen Partei mit. Die gleiche Person steht also auf dreierlei Weise in einer organisatorischen Relation zu anderen Menschen: Im Sinne von Elternschaft, Anstellungsverhältnis und Parteimitgliedschaft, und diese Weisen gehören gerade den grundlegenden Bereichen an, die die Organisation (also die Ebene der Struktur) unseres modernen gesellschaftlichen Lebens konstituieren, nämlich dem sozialen Bereich i.e.S., der den privaten Raum von Verwandtschaft und Bekanntenkreis umfasst, dem beruflich-ökonomischen Bereich und dem öffentlich-politischen Bereich. Die drei Beziehungsarten an sich stellen Regeln in einem übergeordneten Sinne dar, und zwar tun sie dies, indem sie eben zu den legalen oder sonstwie anerkannten Weisen der organisatorischen Relationen gehören. Organisatorische Details der drei Beziehungsarten können dann durch weitere, untergeordnete Regeln wie z.B. einen Arbeitsvertrag im Falle des Anstellungsverhältnisses geregelt sein.
Abbildung 3: Fiktives Beispiel einer Frau, die über drei Arten von organisatorischen Relationen mit strukturellen Eigenschaften mit andern Gesellschaftsmitgliedern in Verbindung steht. Die drei Relationen repräsentieren je eine Möglichkeit aus den drei grundlegenden Bereichen der modernen Gesellschaft[s]w[/s], dem privat-sozialen, dem öffentlich-politischen und dem beruflich-ökonomischen Bereich
Abbildung 3: Fiktives Beispiel einer Frau, die über drei Arten von organisatorischen Relationen mit strukturellen Eigenschaften mit andern Gesellschaftsmitgliedern in Verbindung steht. Die drei Relationen repräsentieren je eine Möglichkeit aus den drei grundlegenden Bereichen der modernen Gesellschaftw, dem privat-sozialen, dem öffentlich-politischen und dem beruflich-ökonomischen Bereich
Nun können aber auf der Ebene der Superstruktur bzw. Kulture gültige Regeln auf die Regeln der Ebene der Struktur bzw. Gesellschafte Einfluss nehmen. Sie können zunächst darüber entscheiden, welche der dort möglichen organisatorischen Beziehungstypen zulässig sind und welche nicht. Z.B. war das Konkubinat als informelle Form des Zusammenlebens von Frau und Mann lange Zeit ungesetzlich. Unter dem Einfluss eines kulturellen Wandels wurde es aber zunächst toleriert, dann akzeptiert und schliesslich selbst juristisch erfasst. Oder ein anderes Beispiel: In der Antike und in gewissen Gebieten Nordamerikas bis ins vorige Jahrhundert war die soziale Struktur des Typs "Herr-Sklave" kulturell akzeptiert. Heute ist sie es nicht mehr, jedenfalls in der westlichen Gesellschaftw nicht. Aber auch Details der innerhalb der erlaubten Formen sich ergebenden Interaktionen können durch weitere kulturelle Regeln bestimmt oder beeinflusst sein. Tatsächlich zeichnet sich ein kulturelles Niveau ja gerade dadurch aus, dass nicht jede Kleinigkeit gesetzlich geregelt sein muss, bzw. umgekehrt, dass es mit Qualitäten zu tun hat, die juristisch gar nicht erfasst werden können. Betrachten wir in Abbildung 3 das Beispiel des Anstellungsverhältnisses. Die Qualität der von der betreffenden Frau geleisteten Arbeit kann durch die kulturellen Konzepte von Arbeitsmoral - eine gute zeichnet sich etwa durch Fleiss, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und dgl. aus - und Berufsethik - eine hochstehende ist identitätsbildend und zeichnet sich durch beruflichen Stolz, professionelle Einstellung usw. aus - gekennzeichnet werden.26
Vgl. dazu Carlo Jaeger, Lisbeth Bieri und Gregor Dürrenberger 1987.
Umgekehrt natürlich gibt es so etwas wie eine Unternehmenskultur, die die Art und Weise wie die Vorgesetzten, aber auch die Kolleginnen und Kollegen der betreffenden Frau mit ihr umgehen, beeinflussen wird.
In Anlehnung an Rappaport kann man sich für die kulturellen Strukturen eine regulative Hierarchie vorstellen, die von der völlig abstrakten Ebene der höchsten Prinzipien zur Ebene der konkreten Handlungsanweisungen reicht (vgl. Abbildung 4). Bei den obersten Prinzipien handelt es sich um kulturelle Wertvorstellungen, um grundlegende Leitbilder wie z.B. religiös motivierte Vorstellungen der betreffenden GesellschaftAbbildung 4: Die regulative Hierarchie von Werten, Normen, gesellschaftlichen Strukturen und Handlungen bzw. Interaktionen (Kultur und Gesellschaft verstanden als Kulture und Gesellschafte) (nach Rappaport 1979, verändert). über was z.B. wahr, gut oder schön oder allgemein wünschenswert ist. Darunter folgen Normen als Aussagen darüber, welche Prinzipien bei der Gestaltung einer Beziehung oder Handlung im Kontext der sozialen Organisation beachtet werden sollten. Handlungsanweisungen schliesslich betreffen die ganz konkrete Ebene der Beziehungen und Interaktionen. Allerdings ist wohl die Einbahnrichtung, die mit dieser Vorstellung einer regulativen Hierarchie verbunden ist, wiederum einseitig gesehen. Zweifellos wirken die effektiven Handlungen und die dabei gemachten Erfahrungen umgekehrt auch auf die höheren Ebenen zurück.
Abbildung 4: Die regulative Hierarchie von Werten, Normen, gesellschaftlichen Strukturen und Handlungen bzw. Interaktionen (Kultur und Gesellschaft verstanden als Kultur[s]e[/s] und Gesellschaft[s]e[/s]) (nach Rappaport 1979, verändert)
Abbildung 4: Die regulative Hierarchie von Werten, Normen, gesellschaftlichen Strukturen und Handlungen bzw. Interaktionen (Kultur und Gesellschaft verstanden als Kulture und Gesellschafte) (nach Rappaport 1979, verändert)
Ein Beispiel: Nehmen wir an, es sei anerkannt, dass biologische Vielfalt (Biodiversität) auf diesem Planeten etwas Wertvolles ist. Dies könnte aus verschiedenen Gründen der Fall sein, z.B. weil sie als Teil der Schöpfung betrachtet wird, oder weil abwechslungsreiche Landschaften ästhetisch befriedigend sind, oder aber auch weil in der Vielfalt noch unausgeschöpfte ökonomisch verwertbare Ressourcen vermutet werden. Aus diesem Wert müsste dann etwa die Norm folgen, dass Landwirtschaft nicht als Monokultur betrieben werden darf, sondern in einer Weise, die Pflanzen und Tieren eine Mischung von verschiedenen Lebensräumen offeriert. Daraus wiederum wären dann, auf eine ganz konkrete Situation bezogen, Anweisungen dazu abzuleiten, wo etwa Bäume oder Hecken gepflanzt werden sollten, welche Nutzungsflächen extensiviert werden sollten usw.
2.4 Soziale Integration und System-Integration, Gemeinschaft und Gesellschaft
2.5 Unbeabsichtigte Handlungsfolgen und autonome Prozesse
2.6 Sinnsysteme und konstruierte Wirklichkeiten
3. Einige theoretische Vorstellungen über die kulturelle Evolution
3.1 Kontrollierter Atomismus: Hobbes und Rousseau
3.2 Der Primat der Infrastruktur: Marx und Harris
3.3 Der unausweichliche Fortschritt: Von Comte und Spencer zur Modernisierungstheorie
3.4 Die ungeplante aber trotzdem gerichtete Entwicklung: Elias
3.5 Systeme ohne Personen: Rappaport und Luhmann
3.6 Der Kreislauf von Aufstieg, Blüte und Zerfall: Toynbee
4. Stufen der gesellschaftlichen Entwicklung
4.1 Zur Entwicklung gesellschaftlicher Strukturen65
Im Sinne von Gesellschafte.
4.1.1 Archaische Gesellschaften
4.1.2 Politische Gesellschaften
4.1.3 Ökonomische Gesellschaft
4.2 Zur Entwicklung des Geschlechterverhältnisses
4.3 Zur Entwicklung kultureller Strukturen
5. Demographische und energetische Aspekte der kulturellen Evolution
5.1 Zur Bevölkerungsentwicklung
5.2 Zur Entwicklung des menschlichen Energieverbrauchs
Zitierte Literatur