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Soziales i.e.S.

Soziales

Vorbemerkung
1. Begriffliches
1.1 Was heisst Soziales i.e.S.?
1.2 Begriffsvokabular der Residenz- und Deszendenzregeln
2. Soziale Systeme bei Tier-Primaten
2.1 Paviane
2.2 Orang-Utans
2.3 Gorillas
2.4 Schimpansen
2.5 Bonobos
Die Bonobos, mit wissenschaftlichem Namen Pan paniscus, kommen nur innerhalb eines begrenzten Verbreitungsgebietes in Zentralafrika vor, und zwar südlich des Zaire-Flusses in Zaire. Sie werden auch Zwergschimpansen genannt, was aber irreführend ist, da sich ihr Körpergewicht mit demjenigen der kleinsten Unterart des gewöhnlichen Schimpansen überlappt. Sie unterscheiden sich aber von diesem durch ihren allgemein grazileren Körperbau und ein ziemlich anderes Sozialverhalten, das erst in neuerer Zeit gründlich studiert worden ist.27
Nach de Waal 1993, 179-181.
Die stärksten Bindungen bestehen bei den Bonobos zwischen erwachsenen Frauen. Diese etablieren Beziehungen weit über ihre nähere Verwandtschaft hinaus und bilden starke weibliche Bündnisse. Auch zwischen den Geschlechtern gibt es starke Bindungen. Demgegenüber sind männliche Bindungen ziemlich schwach ausgeprägt; es fehlen den Männern die differenzierten Beziehungen zu anderen Geschlechtsgenossen wie die Schimpansen sie haben. Damit aber nehmen die Frauen eine weit zentralere Stellung ein als dies bei den Schimpansen der Fall ist. Der soziale Einfluss der Männer ist gering, sie werden von den mächtigen Frauenbündnissen dominiert und ohne die Unterstützung einer starken Mutter kann ein Mann nicht viel erreichen.28
Nach de Waal 1993, 182, und Hess 1999b.
Der Sex spielt bei den Bonobos eine entscheidende, verbindende Rolle. Es ist bei ihnen ein intensiveres Geschlechtsleben möglich als die Schimpansen es kennen, da die Brunstperiode der Frauen, die durch eine rosa Genitalschwellung angezeigt wird, über den grösseren Teil des Monatszyklus andauert, nicht nur über 10-12 Tage wie bei den Schimpansinnen. Darüber hinaus finden Paarungen auch ausserhalb der eigentlichen Brunstperiode statt, was bei den Schimpansen nicht vorkommt. Sie sind auch intimer, indem sie nicht ausschliesslich aber häufig von Angesicht zu Angesicht stattfinden. Und während der Sex bei den Schimpansen wenig variabel ist und normalerweise der Fortpflanzung dient, pflegen die Bonobos ein äusserst variantenreiches Geschlechtsleben, das auch unabhängig von der Reproduktion soziale Funktionen erfüllt. Insbesondere ist Sex ein Mittel zur Lösung von Spannungen und Konflikten.29
Siehe de Waal 1993, 183, 201, und Hess 1999c.
“ ‘Make love, not war’ könnte ein Bonobo-Slogan sein,” meint de Waal.30
De Waal 1993, 183.
Dabei sind auch homosexuelle Kontakte recht häufig, sowohl unter Frauen wie auch Männern.31
Vgl. de Waal 1993, 201, 203, und Hess 1999c.
Für die Kinder, die in einem solchen Milieu aufwachsen, werden alle sexuellen Beziehungsvariationen zu einem natürlichen Verhaltensrepertoire zählen, was de Waal zur Bemerkung veranlasst:
Die meisten Tiere widmen sich schon in frühem Alter sexuellen Aktivitäten, und mich würde es nicht überraschen, wenn die vielen Probleme mit sexuellen Zwangsvorstellungen und Frustrationen in unseren eigenen Gesellschaften aus den Schuldgefühlen entstehen, die wir mit solchen Experimenten und Rollenspielen verbinden.32
De Waal 1993, 207.
Die Bonobos sind normalerweise fröhlich, ausgelassen und äusserst spielfreudig; sie haben das Grimassenschneiden zu einer wahren Kunst entwickelt.33
Nach de Waal 1993, 196 bzw. 200.
Aggressive Auseinandersetzungen werden zwar meist von dominanten Individuen initiiert, aber die nachfolgende Friedensschliessung geht auch von ihnen aus, im Gegensatz zu den Schimpansen, bei denen erwartet wird, dass das ranguntere Individuum den ersten Schritt tut. Es entsteht, wie de Waal betont, der Eindruck, das soziale Leben werde von Mitleid regiert.34
Siehe de Waal 1993, 221.
Auch verhalten sich die Männer gegenüber den Frauen recht sanftmütig.35
Nach de Waal 1993, 213.
Überhaupt scheinen die Bonobos sehr empfindsam zu sein. Über den Zoo Hellabrunn in München wird berichtet, dass während des Zweiten Weltkrieges die dortigen Bonobos, durch Bombenlärm in grosse Angst versetzt, starben, während die Schimpansen das Inferno unbeschadet überstanden.36
Nach de Waal 1993, 191.
Insgesamt zeigen die Bonobos eine ganze Reihe von Verhaltensweisen, die sie als eine Schlüsselspezies für das Verständnis der menschlichen Evolution erscheinen lassen. Dazu gehören das geschilderte zeitlich unbeschränkte Sexleben mit seiner nicht nur biologischen, sondern auch sozialen Funktion, aber auch die Tatsache, dass Bonobos sich mit weniger Schwierigkeiten als andere Menschenaffen auf zwei Beinen fortbewegen können und dabei ihre Hände zum Transport von Früchten verwenden.37
Siehe de Waal 1993, 186.
3. Überlegungen zur sozialen Evolution der Hominiden
3.1 Von der Jagd- über die Sammel- zur Nahrungsteilungshypothese
3.2 Die Hypothese des “Sex-Vertrags“ von Helen E. Fisher
3.3 Das “Stammbaum-Modell” von Robert Foley
4. Die soziale Organisation archaischer und matrizentrischer Gesellschaften
4.1 Die archaische Gesellschaft: Patrilokale/patrilineare Horden ...
4.2 ... oder egalitäre Gemeinschaften?
4.3 Beispiel einer archaischen Gesellschaft: Die !Kung San (Buschleute)
4.3.1 Leben in lokalen Gruppen
4.3.2 Verwandtschaftssysteme
4.3.3 Heirat und Sexualität
4.4 Merkmale matrizentrischer Gesellschaften
4.4.1 Begriffliches
4.4.2 Geschichtliches
4.4.3 Zur Sozialordnung
4.5 Beispiel einer matrizentrischen Gesellschaft: Die Irokesen
4.5.1 Geschichtliches
4.5.2 Die matrilineare Grossfamilie
4.5.3 Der matrilineare Clan
5. Das Soziale in patriarchalen Gesellschaften
5.1 Der Vorgang der Patriarchalisierung
5.1.1 Hypothesen über die Ursachen
5.1.2 Der Vorgang der Patriarchalisierung in vorderasiatischen Gesellschaften
5.1.3 Beispiel einer neuzeitlichen Übergangsgesellschaft: Die Trobriand-Insulaner
5.2 Patriarchale Strukturen in der Antike: Das Beispiel Rom
5.2.1 Geschichtliches
5.2.2 Die patriarchale Familie
5.2.3 Höhepunkt der Sklaverei
Zitierte Literatur
Zusätzliche Literaturangaben (besonders zu Mittelalter und Neuzeit)