Orang-Utan bedeutet auf malaiisch “Waldmensch”, die wissenschaftliche Bezeichnung lautet
Pongo pygmaeus. Der Orang Utan ist der einzige echte Baumbewohner (ein sog. Schwingkletterer) unter den Menschenaffen; er kommt in den Regenwäldern Borneos und Sumatras vor. Er ist auch derjenige Menschenaffe, der gewissermassen asozial, nämlich solitär lebt; jedenfalls trifft dies auf die Männer zu, während die Frauen, wenn sie Mütter sind, mit ihren Kindern unterwegs sind. Wie Robert Foley aber betont, ist die solitäre Lebensweise zum Teil eine Illusion, denn ein Orang-Utan lebt in einem weitgespannten Netz von Individuen, die er kennt und mit denen er zwar nicht alle Tage, aber gelegentlich interagiert. Foley meint, diese eher spärlichen Kontakte seien vielleicht sozial bedeutungsvoller und anspruchsvoller als es Interaktionen für Individuen sind, die in ständigen sozialen Beziehungen
leben.13Vgl. Robert Foley 1997, 175.
Ein Mann und eine Frau führen gewissermassen eine “Ehe auf Distanz”, d.h. sie leben den grösseren Teil der Zeit getrennt und sehen sich nur gelegentlich. Am Morgen nach dem Aufwachen gibt der Mann mit geblähten Kehlsack jauchzende Laute von sich und gibt damit seinen Standort bekannt. Dies kann bewirken, dass die Frau mit Kindern vorübergehend auf Besuch kommt, allenfalls auch, wenn sie brünstig ist, mit dem Mann eine mehrtägige Gemeinschaft
bildet.14Vgl. Angela Meder 1993, 83.
Dabei beschränkt sich die Bindung nicht nur auf das Sexuelle; ganz allgemein besteht zwischen dem Vater und der Mutter-Kind-Gruppe auch ausserhalb der Paarungszeit eine freundschaftliche Sympathiebeziehung. Mit der Partnertreue nehmen es aber beide Geschlechter nicht sehr genau. Dazu der Zoologe Vitus B. Dröscher:
Das dieser Situation entsprechende territoriale Muster sieht so aus: Erwachsene Orang-Frauen besetzen üblicherweise feste Reviere, die sich aber überlappen können. Etablierte Männer unterhalten und verteidigen ein grösseres Territorium, das mehrere Frauengebiete umfassen kann. Die meisten Männer aber, wenn sie aufgewachsen sind, führen ein nomadisierendes Leben und müssen geringere Fortpflanzungsaussichten in Kauf
nehmen.16Nach Meder 1993, 83.