Dabei ist in vielen Fällen das Neue, bevor es sich zu einem selbständigen Phänomen mit Kausalcharakter ausdifferenziert, im Alten schon als Teilaspekt angelegt. Es gilt auch, dass das Alte bezüglich des Neuen nicht nur einen konstitutiven, sondern auch einen regulativen Charakter hat. Mit andern Worten, es sind einerseits Teile des Alten wesentlich für den Aufbau des Neuen, andererseits aber verfügt das Alte auch über Strukturen, die dem Neuen einen einschränkenden Rahmen geben. Neues und Altes stehen also in einem Wechselwirkungsverhältnis, aber letztlich besteht eine Asymmetrie, indem existentiell gesehen das Alte den Primat vor dem Neuen hat, ganz einfach deshalb weil das Neue ohne das Alte, oder jedenfalls ohne eine bestimmte Qualität des Alten, gar nicht existieren kann. Wir stossen hier auf die Ursprünge des Problems der Freiheit: Freiheit kann immer nur dann echte Freiheit sein, wenn sie sich innerhalb von Bindungen entfaltet, sonst wird sie zur Willkür und zerstört letztlich sich selbst. In seinem Buch "Organismus und Freiheit" betont der Philosoph Hans Jonas die Tatsache, dass sich bei der Entwicklung des Lebens in der biologischen Evolution Freiheit und Bindung natürlicherweise die Waage halten: Ein grösserer Grad von Emanzipation geht immer auch mit einem grösseren Grad von Angewiesenheit
einher.183Hans Jonas 1973: 131-133.
Die ökologische Nahrungskette kann als paradigmatisches Beispiel für eine evolutionäre Hierarchie gelten (vgl. dazu Abbildung
16)184Für eine ausführliche Nahrungsketten-Diskussion siehe z.B. Hermann Remmert 1992: 258 ff.
. Vereinfacht dargestellt gilt: Pflanzen als Primärproduzenten nehmen für ihren Lebensunterhalt aus ihrer anorganischen Umgebung Licht, Wasser, Kohlendioxid und Mineralien auf. Sie bilden dann Futter für pflanzenfressende Tiere, Primärkonsumenten genannt. Diese wiederum dienen als Nahrung für fleischfressende Tiere, die Sekundärkonsumenten. Logischerweise konnte eine solche Kette nur dann entstehen, wenn prinzipiell die pflanzliche Lebensform derjenigen der Herbivoren vorausging, und diese wiederum älter war als die der Karnivoren. Ökologisch bedeutsam ist schliesslich noch das bei der Nahrungskette auftretende Prinzip der Rezyklierung: Sog. Destruenten - das sind Gliederfüssler, Schnecken, Würmer, Pilze und Bakterien - verzehren oder zersetzen tote Organismen, so dass entweder organische Stoffe direkt wieder in den Lebenskreislauf eintreten oder aber in die anorganische Welt rückgeführt werden.