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Biologische Evolution

Biologische Evolution

1. Von der Präformations- zur modernen Evolutionstheorie
1.1 Zum Begriff der Evolution
1.2 Die Zeit vor Darwin
1.3 Darwin und seine Evolutionstheorie
1.4 Kontroversen nach Darwin
1.5 Die moderne Evolutionstheorie
2. Fragezeichen und Gegenstimmen
2.1 Nur Zufall und Notwendigkeit?
2.2 Gradualismus versus Punktualismus
2.3 Zwecklosigkeit versus Zweckhaftigkeit
Die obige Diskussion um die Herkunft sinnvoller Muster rührt bereits an eine tieferschürfende Frage, nämlich die, ob es in der Natur Sinn und Zweck gibt, oder ob der Eindruck, dass es das gibt, bloss unsere Projektion ist. Natürlich würde niemand behaupten wollen, die Organismen seien nicht zweckmässig gebaut, aber es entspricht der materialistischen Auffassung zu sagen, diese Zweckmässigkeit sei nur eine scheinbare, gewissermassen eine im nachhinein entstandene, weil eben die Selektion dafür gesorgt habe, dass aus allen zufällig entstandenen Variationen nur diejenigen überlebt hätten, die angesichts der herrschenden Umweltbedingungen sinnvoll seien. Für diese a posteriori-Zweckmässigkeit ist der Begriff "Teleonomie" geprägt worden, und zwar in Gegenüberstellung zu dem der Teleologie, der sich auf vorgegebene Zwecke bezieht, nach denen sich eine nachfolgende Entwicklung ausrichtet. Peter B. Medawar und Jean S. Medawar meinen dazu etwas schnippisch, heute stelle die "Korruption der Biologie durch die Teleologie ... keine so ernste oder unmittelbar drohende Gefahr mehr dar ..." und deshalb wohl hätte sich das Wort "Teleonomie" bis jetzt nicht richtig durchgesetzt.59
Peter B. Medawar und Jean S. Medawar 1986: 304.
Heisst das dann, dass das Zweckmässige aus einem Zufallsprozess entstanden ist? Conrad H. Waddington wehrt sich gegen eine solche Ansicht:
To suppose that the evolution of the wonderfully adapted biological mechanisms has depended only on a selection out of a haphazard set of variations, each produced by blind chance, is like suggesting that if we went on throwing bricks together into heaps, we should eventually be able to choose ourselves the most desirable house.60
In The Listener vom 13.1.1952, London, zitiert in Koestler 1981: 127.
Überlegungen wie die von Waddington haben wiederholt zu Vorstellungen holistischer Art geführt, die das biologische Geschehen als von einer speziellen Lebenskraft, einem immateriellen, formgebenden Lebensprinzip gesteuert sehen, das in der Lage ist, auf physisch-chemische Prozesse einzuwirken. Vorstellungen dieser Art sind unter dem Begriff des "Vitalismus" zusammengefasst worden. Als Vorläufer kann Aristoteles (384-322 v.u.Z.) gelten, der mit dem Begriff der "Entelechie"61
Entelechie: aus griechisch en = in, telos = Ziel und echein = haben, damit Entelechie = was sein Ziel in sich selbst hat (nach Lexikon der Philosophie 1974: 147).
operierte, mit dem er "die Form, die sich im Stoff verwirklicht," bezeichnete, "das aktive Prinzip, welches das Mögliche erst zum Wirklichen macht und dies zur Vollendung seines Daseins bringt."62
Lexikon der Philosophie 1974: 147.
Entsprechende Ansätze in modernisierter Form haben in der Neuzeit der französische Philosoph Henri Bergson (1859-1941) mit seinem élan vital63
Siehe z.B. Birx 1984, Kap.13.
und der deutsche Biologe und Philosoph Hans Driesch (1867-1941) mit seiner Wiederbelebung der "Entelechie"64
Eine kurze Darstellung des Wirkens von Hans Driesch findet sich z.B. bei Gordon Rattray Taylor 1963: 255-256.
entwickelt. In beiden Fällen geht es um die Vorstellung, dass die evolvierenden Formen des Lebens selbst zielgerichtete Organisationsprinzipien enthalten. Schliesslich hat der Basler Zoologe Adolf Portmann (1897-1982) - man könnte sagen in abgeschwächter vitalistischer Form - auf die Bedeutung der Innerlichkeit der Lebewesen hingewiesen. Diese manifestiert sich als eine "Selbstdarstellung", "ein Name für die Tatsache, dass ein lebendiges Wesen, Tier oder Pflanze, nicht nur Stoffwechsel treibt und als ein Gefüge von lebenserhaltenden Strukturen zu erklären ist, sondern dass der Organismus über das blosse Fristen des Lebens hinaus, eine Form aufbaut, welche das Besondere gerade dieser Art darstellt."65
Adolf Portmann 1975: 138 ff.
Solchen und ähnlichen Vorstellungen mögen religiöse Motive zugrunde liegen; mindestens aber versuchen sie darzulegen, dass auch in der vormenschlichen Natur keine Maschinen wachsen, sondern schon hier in den Lebewesen die Anwesenheit von etwas Subjekthaftem vermutet werden kann. Was im übrigen das religiöse Element angeht, an dem wir ja natürlich bei Fragen, die die Welt und ihre Entstehung betreffen, nicht einfach vorbeigehen können: Es gibt, in den USA vor allem, immer wieder Strömungen, die die wissenschaftliche Vorstellung einer Evolution ablehnen und mit der Bibel als Zeugin eine einmalige Schöpfung behaupten (Kreationismus). Gould meint dazu, es müsste zwischen Tatsache und Theorie unterschieden werden: Die Existenz einer Evolution sei als Faktum anzuerkennen, aber wie der Vorgang dann theoretisch erklärt würde, sei eine andere Sache.66
Siehe Gould 1986: 253 ff.
Hierzu liefert Hoimar von Ditfurth einen versöhnlichen Vorschlag, indem er die Möglichkeit einer positiven Auswirkung naturwissenschaftlicher Einsichten auf die religiöse Interpretation der Welt und des Menschen betont:
Davon [soll die Rede sein], dass zwischen beiden Disziplinen menschlichen Denkens, die so lange ausschliesslich im Widerspruch zueinander gesehen worden sind, auch ein Verhältnis denkbar ist, das über blosse Verträglichkeit noch weit hinausgeht, indem es sich als Verhältnis gegenseitiger Bestätigung, ja sogar wechselseitiger Verstärkung erweist. ... Im Mittelpunkt aller Überlegungen, die sich aus dieser ... Perspektive anbieten, scheint mir heute die Möglichkeit zu stehen, die Evolution als den Augenblick der Schöpfung zu begreifen. Das ist ganz wortwörtlich gemeint. Ich halte es für sinnvoll, ernstlich darüber nachzudenken, ob es sich bei dem Prozess, der sich unseren unvollkommenen Gehirnen als der so quälend langwierig sich hinziehende Prozess der kosmischen und biologischen Evolution präsentiert, in Wahrheit nicht um den Augenblick der Schöpfung handeln könnte.67
Hoimar von Ditfurth 1984: 143-144.
Von Ditfurth meint weiter, es gebe für die Naturwissenschaft keinen Anlass, einer solchen Deutung zu widersprechen. Trotzdem ist ihre offizielle Meinung wohl eher die, dass das Problem der Evolution im wesentlichen gelöst sei, und zwar im Sinne einer materialistischen Interpretation, die keine Anzeichen von Zwecken enthält und schon gar nicht eine göttliche Figur als erste Ursache zulässt. Dies dürfte nach Koestler damit zu tun haben, dass hier eine unbewusste Angst besteht, in die "Ketzerei" des Vitalismus zurückzufallen.68
Vgl. Koestler 1981: 200.
Aber daraus ergeben sich gewisse Konsequenzen, wenn wir bei der Betrachtung der biologischen Evolution letztlich zur Frage unserer eigenen Position in dieser Welt vorstossen. George Gaylord Simpson lässt hier keinen Zweifel daran, dass der Mensch als pures Zufallsprodukt zu betrachten sei: "Man is the result of a purposeless and materialistic process that did not have him in mind. He was not planned."69
George Gaylord Simpson 1952, zitiert in Koestler 1981: 151.
2.4 Die Zwischenlösung als relationale Alternative
2.5 Beispiele von relationalen Ansätzen
2.5.1 Die Systemtheorie der Evolution von Rupert Riedl80
Siehe dazu die ausführliche Darstellung bei Rupert Riedl 1975 und die knappen Zusammenfassungen in Riedl 1985: 177 ff. und Wuketits 1981: 95 ff.
2.5.2 Die Autopoietische Systemtheorie von Humberto Maturana und Francisco Varela84
Wichtige Komponenten einer autopoietischen Systemtheorie finden sich in Francisco J. Varela 1979. Die beste Darstellung dieser Theorie im Zusammenhang mit Fragen der Evolution findet sich aber wohl in Humberto R. Maturana und Francisco J. Varela 1987. Für einen allgemeinen Überblick siehe auch Dieter Steiner 1989.
2.5.3 Die "Ökologie des Geistes" von Gregory Bateson (1904-1980)93
Siehe dazu Bateson 1972 und Bateson und Bateson 1987. Das letztere Buch, "Angels Fear", wurde nach dem Tod von Gregory Bateson von seiner Tochter Mary Catherine fertiggestellt.
2.5.4 Die Theorie der "morphischen Felder" von Rupert Sheldrake104
Siehe Rupert Sheldrake 1985 und 1990.
3. Zur Entstehung des Lebens
3.1 Verschiedene Ursprungshypothesen
3.2 Die Bausteine des Lebens und ihre Entstehung
3.2.1 Was ist Leben?
3.2.2 Die materialistische Standardhypothese
3.2.3 Gibt es einen oder zwei Ursprünge des Lebens?
3.3 Genügt eine materialistische Erklärung?
4. Zum Verlauf der biologischen Evolution
4.1 Der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre als Faktor der Evolution
4.2 Die Gaia-Hypothese
4.3 Explosionen und Auslöschungen
4.4 Das Muster der evolutionären Hierarchie182
Das ist ein leicht veränderter Teil aus einem Papier, das ich aus Anlass der Tagung "Humanökologie der Zukunft", Wislikofen, 6.-10.Juli 1998, schrieb (Steiner 1998).
Zitierte Literatur