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Weltbilder

Weltbilder

Einführung
1. Begriffliches und Grundsätzliches
1.1 Was ist ein Weltbild?
1.2 Alternative Bezeichnungen
1.3 Gibt es eine Logik des Weltbildwandels?13
Dieser Abschnitt ist mit Änderungen übernommen aus Dieter Steiner 1996: 18-21.
1.4 Ein idealtypisches Schema
1.5 Parallelisierung von Weltbildarten, Bewusstseinsstufen und Gesellschaftstypen
1.5.1 Nicht-hierarchisches Weltbild
1.5.2 Holistisch-organismisches und atomistisch-mechanistisches Weltbild
1.5.3 Relational-evolutionäres Weltbild
2. Holismus versus Atomismus: Zwei Weltbilder im Widerstreit41
Dieses Kapitel ist mit Änderungen übernommen aus Steiner 1996: 28-38.
2.1 Zwei Kulturen
2.2 Geist versus Materie
2.3 Zwecke versus Ursachen
Wie in Exkurs 2 dargestellt, unterschied Aristoteles (384-322 v.u.Z.) vier Arten von Ursachen, von denen wir aber im folgenden nur die von oben nach unten wirkende Finalursache (Zweck) und die umgekehrt von unten nach oben wirkende Wirkursache (Ursache i.e.S.) betrachten. Wir könnten auch sagen, dass wir es dabei mit dem Gegensatz von finalem und kausalem Denken zu tun haben.
Exkurs 2: Die vier Arten von Ursachen bei Aristoteles
Auf Aristoteles geht die Unterscheidung zwischen den folgenden vier Typen von Ursachen zurück:
Deutsche Bezeichnung
Lateinische Bezeichnung
Wirkursache oder Antriebsursache
Causa efficiens
Materialursache
Causa materialis
Formursache
Causa formalis
Zweckursache
Causa finalis
Die Bedeutung dieser Unterscheidung wird oft, so auch bei Rupert Riedl, am Beispiel des Hausbaus erklärt:
·
Um ein Haus zu bauen, bedarf es der Kräfte, der causa efficiens; nach Aristoteles "in dem Sinne, dass von ihnen der Anfang der Bewegung oder Ruhe ausgeht"; eine Antriebs- oder Wirk-Ursache, Energie, Arbeit oder Kapital im Sinne unserer Tage. Das englische 'power' übersetzt den Begriff am besten.
·
Aber durch Kräfte allein kam noch nie ein Haus zustande. Es bedarf weiters der Materialien, der causa materialis, diese als Ursachen "insofern sie das sind, woraus etwas wird, und hierbei ist nun das eine Glied Ursache, als das Substrat ... zum Beispiel der Teile". Das sind im heutigen Sinne: Materie, Bausteine, Bauelemente und Kompartments; schon damals "der Stoff für das daraus Gefertigte".
·
Aber auch die Fülle von Arbeit und Material hat allein noch nie ein Haus entstehen lassen. Es bedarf immer beides einer Auswahl und Lenkung, um aus allen möglichen (und unmöglichen) Kräften und Materialien ... die geeigneten zu wählren und richtig zuzuordnen; um Mauer- und Dachziegel, Fenster- und Dachbalken zu sortieren und ihnen die rechte Lage vorzuschreiben. Dies ist die causa formalis, "das Wesens-was ..., nämlich die Ganzheit und die Zusammensetzung der Form." Dies ist in unserem Beispiel der Bauplan, das Konzept, die Konstruktion, der funktionelle Zusammenhang. Erst ein solcher Plan bestimmt vom Ganzen her Wahl, Lage und Funktion der Teile.
·
Aber selbst Kapital, Material und Bauplan haben alleine noch nie ein Haus entstehen lassen; nicht einmal irrtümlicherweise. Denn selbst in diesem Falle bedarf es irgend jemandes Absicht oder doch der Meinung, dass irgendjemand, zu welchem Zweck auch immer, ein Haus wollte. Es bedarf eben auch der causa finalis, einer Absicht, eines Zwecks oder Zieles; ... "Ursache als Zweck" versteht Aristoteles "als dasjenige, um dessentwillen etwas geschieht; in diesem Sinne ist die Gesundheit Ursache des Spazierengehens. Denn auf die Frage, weshalb jemand spazieren geht, antworten wir: um gesund zu werden ..."61
Rupert Riedl 1985: 82-83 (Gliederung D.S.). Zur Herkunft der aristotelischen Zitate siehe Riedl 1985: 83, Fussnote 55.
Verglichen mit dem hierarchischen Schichtenbau der Welt können in der Interpretation von Riedl die Zweck- und die Formursache als von oben nach unten, die Antriebs- und die Materialursache als von unten nach oben wirkend verstanden werden (siehe Abbildung 4). Dabei sind bei Aristoteles Zweck- und Antriebsursache "äussere" Ursachen - im Schema von Riedl durchdringen sie alle Schichten -, Form- und Materialursache "innere Ursachen" - bei Riedl machen sie sich als Beeinflussungen zwischen benachbarten Schichten bemerkbar. Es gibt damit eine "doppelte Symmetrie der Ursachen".
Abbildung 4: Die doppelte Symmetrie der Ursachen, bezogen auf den Schichtenbau der Natur. Hinzugefügt sind einige Wissenschaften, welche mehr als eine der Schichten zu ihrem Gegenstand haben. Erklärung der Abkürzungen: Q = Quarks, Qt = Quanten, At = Atome, Elemente, Mol = Moleküle, Verbindungen, BM = Biomoleküle, Ult = Ultrastrukturen, Ze = Zellen, Gew = Gewebe, Org = Organe, Ind = Individuen, Gr = Gruppen  und Tiergesellschaften, Ges = Gesellschaften des Menschen, Ziv = Zivilisationen, K = Kulturen (aus Riedl 1985, 96).
Abbildung 4: Die doppelte Symmetrie der Ursachen, bezogen auf den Schichtenbau der Natur. Hinzugefügt sind einige Wissenschaften, welche mehr als eine der Schichten zu ihrem Gegenstand haben. Erklärung der Abkürzungen: Q = Quarks, Qt = Quanten, At = Atome, Elemente, Mol = Moleküle, Verbindungen, BM = Biomoleküle, Ult = Ultrastrukturen, Ze = Zellen, Gew = Gewebe, Org = Organe, Ind = Individuen, Gr = Gruppen und Tiergesellschaften, Ges = Gesellschaften des Menschen, Ziv = Zivilisationen, K = Kulturen (aus Riedl 1985, 96).
Die Welt des holistischen Zeitalters ist eine zweckhafte, sie hat einen teleologischen Charakter: Alles hat seine Bestimmung, alles hat seinen richtigen Ort. Im Sphärenmodell des Universums von Aristoteles ist die Welt in einen unveränderlichen Teil hinter und einen veränderlichen Teil vor dem Mond getrennt. In dieser letzteren, sublunaren Welt finden Veränderungen statt, weil die Dinge ihr Ziel noch nicht erreicht haben, die Ordnung noch nicht (oder nach einer Störung noch nicht wieder-) hergestellt ist. Die Zweckursache, die causa finalis, ist der wesentliche Ursprung allen Geschehens. Auch der Mensch trägt einen Zweck in sich, er ist ein Wesen, das nach Verwirklichung drängt. Das zugehörige moralische System besteht aus drei Komponenten:
1.
Der Mensch wie er ist, gewissermassen in der Rohfassung;
2.
der Mensch, wie er sein könnte, wenn er sein eigenes Wesen erkennen würde, und
3.
ethische Gebote, die den Menschen befähigen sollen, den Übergang von 1 zu 2 zu schaffen.62
Siehe Alisdair MacIntyre 1988: 76 ff.
Beim Umbruch zum atomistischen Weltbild bleibt, wie in 2.2 erwähnt, für eine Weile noch ein ferner Gott, der die Welt als einmaligen Zweck setzt. Hans Jonas weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Parallele der Teleologie der von Gott geschaffenen Welt und einer vom Menschen gemachten Maschine hin: "... in ihrer Anordnung verkörpert sie eine Zweckursache, die ihren Konstrukteur leitete, aber ihr Funktionieren ist rein nach Wirkursachen, deren Operation im Plane vorgesehen war."63
Hans Jonas 1973: 54, Fussnote.
Danach aber verschwindet bis auf den Menschen, der einzig zweckorientiert handeln kann, alles Zweckhafte aus der Welt. "In den ... Naturwissenschaften wurde die Finalursache eliminiert und statt dessen der Zufall eingeführt," schreibt der ehemalige ETH-Chemiker Hans Primas.64
Hans Primas 1992: 13.
Dass Dinge in Bewegung bzw. Veränderung sind, ergibt sich aus der Wirkursache, der causa efficiens. Mit andern Worten es entsteht das uns heute geläufige Verständnis von Kausalität als einer Folge von Ursache und Wirkung. Dieses Erklärungsschema ist auch zuständig für den Bereich des nicht-menschlichen Lebendigen, in dem der Alltagsverstand doch eigentlich einen zweckhaften Charakter ausmacht. Dieser ist aber nur scheinbar, denn, so wird gesagt, es handelt sich um eine Zweckhaftigkeit im nachhinein. Dieser Situation wird mit der Wortschöpfung "Teleonomie" (im Gegensatz zu "Teleologie") Rechnung getragen, die dem Begriff "Teleologie" gegenübergestellt wird (vgl. mit 2.3 in "Biologische Evolution"):
Die Telonomie ist nichts anderes als die Teleologie, nur dass sie von all deren Ansprüchen frei ist, kausale Erklärungen zu bieten, und ausschliesslich darauf beschränkt ist, die Zwecke zu dokumentieren, die von biologischen Strukturen und Funktionen tatsächlich erfüllt werden.65
Peter B. Medawar und Jean S. Medawar 1986: 304.
Ausser beim menschlichen Handeln kann die Wissenschaft mit der Idee von Zwecken tatsächlich nichts anfangen. Trotzdem, oder gerade deswegen, entdeckt Niklas Luhmann eine Gemeinsamkeit in der alten und der neuen Auffassung:
Im abendländischen Denken war es feste Lehrtradition, dass die rationale Wahl nur Wahl von Mitteln zu einem Zweck sein könne, nicht Wahl des Zweckes selbst ... Diese Auffassung wurde ursprünglich mit der Offenkundigkeit des Erstrebenswerten, also der Wahrheit von Zwecken begründet, die als solche nicht wählbar sei; später, gerade umgekehrt, mit der Wahrheitsunfähigkeit der Zwecke, die eine wissenschaftliche Begründung und in diesem Sinne eine Rationalität der Wahl ausschliesse.66
Niklas Luhmann 1973: 11.
2.4 Werte versus Fakten
2.5 Konsequenzen für das Mensch-Umwelt-Verhältnis
3. Überwindung der Gegensätze: Archaisches in Vergangenheit und Zukunft97
Dieses Kapitel ist mit Änderungen übernommen aus Steiner 1996: 38-49.
3.1 Das undifferenzierte Weltbild der archaisch-matrizentrischen Zeit
3.2 Leben ist mehr als Sprache
3.3 Die Dualität des relationalen Weltbildes
3.4 Warum der Zusatz "evolutionär"?
3.5 Verbindung zwischen Zwecken und Ursachen
3.6 Versöhnung zwischen Werten und Fakten
3.7 Die ökologische Vernunft kann nicht etwas Beliebiges sein
4. Rolle und Bedeutung der Deutungssysteme Religion, Philosophie und Wissenschaft171
Dieses Kapitel ist mit Änderungen übernommen aus Steiner 1998.
4.1 Der heutige Orientierungsverlust
4.2 Die "seelisch-geistige Nahrungskette"
4.3 Zu den "Nahrungsunterbrüchen" und ihrer Überwindung
4.3.1 Wissenschaft
4.3.2 Philosophie
4.3.3 Religion
Zitierte Literatur