Druckversion  ·  Kontakt

Ökonomisches

Ökonomisches

1. Begriffliches
1.1 Zum Begriff der Ökonomie
1.2 Zum Begriff der Arbeit
1.3 Zum Begriff des Kapitals
2. Formen der Arbeit
2.1 "Arbeit" in archaischen Wildbeutergesellschaften
2.2 Arbeit in den politischen Sklavenhalter-Gesellschaften der Antike
2.2.1 Landwirtschaftliche Arbeit als kultische Handlung
2.2.2 Die mehr oder weniger natürliche Arbeitsteilung: Handwerk und Frauenarbeit
2.2.3 Sklavenarbeit
2.2.4 Die Geringschätzung der manuellen Arbeit
2.3 Arbeit in den politischen Feudalgesellschaften des Mittelalters
2.3.1 Die Leibeigenschaft
2.3.2 Die bäuerliche Arbeit
2.3.3 Handwerkliche Arbeit und Zunftwesen
2.3.4 Die Rehabilitierung der Handarbeit
2.4 Arbeit im Industriekapitalismus der neuzeitlichen ökonomischen Gesellschaft
2.4.1 Transformation der Landwirtschaft und Heimindustrie
2.4.2 Fabrikarbeit
2.4.3 Arbeit als Ware
2.4.4 Arbeit als Quelle menschlicher Entfremdung
2.4.5 Taylorismus und Fordismus
2.4.6 Arbeitsmoral versus Berufsethik
3. Arten der Beziehung zum Boden
3.1 Archaische Gruppen als Teil des Landes, auf dem sie leben
3.2 Boden als Eigentum und als Ware: Politische und ökonomische Gesellschaften
4 Kaurischnecken, Geld und Kapital
4.1 Primitive Währung archaischer Art
4.2 Münzen und ihre politische Bedeutung in der Antike
4.3 Fegefeuer, Zins und Kredit im politischen Kontext des Mittelalters
4.4 Koloniale Ausbeutung, Kapitalakkumulation und Kommerzialisierung in der Neuzeit
5 Formen des Tausches: Von der Reziprozität zum Markt
5.1 Reziprozität bei vorpolitischen Gesellschaften
So wie es bei den frühzeitlichen menschlichen Gesellschaften keine speziellen ausdifferenzierten politischen Strukturen gibt, so existieren auch keine ökonomischen. Was in einer solchen Situation mit Wirtschaft zu tun hat, bezieht sich auf die Gewinnung von Nahrungsmitteln (vgl. dazu 2.1) und den Tausch von Gütern. Der letztere, den wir hier betrachten wollen (basierend auf Eder 1980 und Sahlins 1974), geschieht immer nur im Rahmen und als Teil von direkten sozialen Beziehungen. Ausserdem besteht eine wechselseitige Verbindung zwischen materiellem Fluss und sozialer Beziehung: Einerseits kann die Art der Beziehung den Umfang der Bewegung von Gütern bestimmen, andererseits eine spezifische Transaktionsweise auf die Art der sozialen Beziehung hindeuten. Freunde machen Geschenke und Geschenke machen Freunde. Der Gütertausch dient der Aufrechterhaltung des Friedens innerhalb der Gesellschaft oder aber auch, nach einem Konflikt, seiner Wiederherstellung.
Transaktionen richten sich nach dem Prinzip der sog. Reziprozität, d.h. es besteht kürzer- oder längerfristig gesehen eine mehr oder weniger symmetrische Beziehung zwischen den am Tausch oder Handel beteiligten Individuen.183
Bei der Diskussion der Reziprozität und ihrer Ausprägungen stütze ich mich auf Eder 1980, 33 ff., Sahlins 1976, 185 ff. und Polanyi 1977, 70 ff.
Das “mehr oder weniger” deutet darauf hin, dass die Qualität dieser Symmetrie unterschiedlich sein kann; so hat denn auch der englische Ethnologe Bronislaw Malinowksi (1884-1942) eine siebenstufige Skala von der reinen Gabe am einen zum reinen Handel am anderen Ende aufgestellt.184
Siehe Bronislaw Malinowski 1984, 218 ff.
Dabei zeigt sich, dass die Abstufung mit der sozialen (verwandtschaftlichen) und/oder auch der räumlichen Distanz zwischen den Beteiligten zu tun hat. In der neueren Literatur wird im allgemeinen das insgesamt mögliche Spektrum idealtypisch durch die beiden Extreme und die Mitte beschrieben (vgl. dazu Abb.12).
Abbildung 12: Schematische Darstellung der Abwandlung der Reziprozität in Abhängigkeit von der sozialen und/oder räumlichen Distanz (nach Sahlins 1976, 199, und Eder 1980, 34).
Abbildung 12: Schematische Darstellung der Abwandlung der Reziprozität in Abhängigkeit von der sozialen und/oder räumlichen Distanz (nach Sahlins 1976, 199, und Eder 1980, 34).
1
Positive Reziprozität:185
Auch "generalisierte" oder "schwache Reziprozität" genannt.
Sie stellt das solidarische Extrem dar, indem damit Transaktionen bezeichnet werden, die den altruistischen Charakter einer Gabe oder einer Hilfeleistung haben. In einem alltäglichen Sinne bezieht sich dies sicher einmal auf die Nahrungsteilung innerhalb der Familien- oder Sippen-Haushalte. Wer immer etwas gesammelt oder gejagt hat, teilt dies mit den anderen. Darüber hinaus kann das Prinzip auch in einem erweiterten Kreis der lokalen Gruppe oder der Verwandtschaft spielen und besteht dann darin, dass ich Bedürftigen etwas gebe, das ich habe und sie nicht. Umgekehrt darf ich dann erwarten, dass mir auch geholfen wird, wenn ich in Not bin. Die Transaktionen erzeugen also Gegenverpflichtungen, aber diese sind bezüglich Zeit, Quantität und Qualität vage. Das Unvermögen einer empfangenden, z.B. alten oder kranken Person, etwas zurückzugeben, bedeutet nicht, dass die gebende Person in Zukunft nichts mehr spenden wird. Zweifellos ist im Sinne des Überlebens die materielle Seite solcher Transaktionen wichtig, aber diese steht als solche nicht im Vordergrund; sie ist völlig in die sozialen Beziehungen eingebettet. In einer gewissen Degeneration des altruistischen Prinzips ist es dann allerdings möglich, dass eine vermögende Person viel gibt, um damit auch viele Gegenverpflichtungen zu erzeugen.
2
Balancierte Reziprozität:186
Auch "äquivalente Reziprozität" genannt.
Diese entspricht dem Mittelpunkt der Skala, bei dem es um direkten Tausch geht. Das bedeutet, dass etwas, das dem Erhaltenen äquivalent ist, zurückgegeben werden muss. Im Extremfall, z.B. bei Heiratstransaktionen, Freundschaftsbekräftigungen und Friedensschliessungen, kann es sich um einen sofortigen Tausch von der gleichen Art von Gütern in derselben Menge handeln. In abgeschwächter Form geht es um Transaktionen, bei denen etwas von vergleichbarem Wert oder Nutzen innerhalb einer bestimmten zeitlichen Frist zurückgegeben wird. Dazu gehört eine primitive Form des Handels. Eine solche kann zwischen entfernteren Verwandten, also z.B. zwischen den Angehörigen von zwei verschiedenen Sippen des gleichen Stammes stattfinden. Solche Transaktionen haben u.U. neben dem sozialen auch einen schon stärker wirtschaftlichen Charakter, d.h. die materielle Seite der Angelegenheit kann ebenso wichtig wie die soziale werden. Dies ist allerdings beim berühmten, von Malinowski beschriebenen Beispiel des sog. Kula-Handels in der Inselwelt Melanesiens noch nicht eigentlich der Fall.187
Siehe Malinowski 1984, 115 ff. Eine Zusammenfassung findet sich in Furger 194, 165-166.
Es geht hier um die der Ethnie der Massim angehörenden Bewohner verschiedener Inselgruppen an der Ostspitze Neuguineas, so der d’Entrecasteaux-, der Trobriand-, der Marshall Bennett-und der Laughlan-Inseln. Diese bilden einen Inselring, und in diesem spielt sich ein Tauschhandel mit zwei Arten von Gegenständen ab, die in entgegengesetzter Richtung im Kreis herum laufen: Halsketten aus roten Muscheln, soulava genannt, wandern im Uhrzeigersinn, Armreifen aus weissen Muscheln, mwali genannt, im Gegenuhrzeigersinn (vgl. Abb. 13). Ein Mann, der im Besitze von einem oder mehreren dieser Schmuckstücke sind, kann per Boot eine sich meist über Monate erstreckende Seeexpedition zu einer der benachbarten Inseln, auf der er einen Handelspartner hat, unternehmen. Dort werden dann die Halsketten und Armreifen in einem zeremoniellen Akt ausgetauscht. Der Besucher bleibt dann für ein paar Tage und während dieser Zeit findet dann ein gewöhnlicher Handel mit Knollenfrüchten, Schweinen, Töpfereiwaren und Kanus statt. Dieser letztere hat nun einen explizit ökonomischen Charakter, während das vordergründige Kula-System der Aufrechterhaltung der sozialen Beziehungen und der Kommunikation dient. Ohne das Spielen der Reziprozität nach festgelegten Kula-Regeln würde die Beziehung zwischen den Betroffenen gestört. Nun ist zu beachten, dass Malinowski seine Feldbeobachtungen in Melanesien in den Jahren 1914-18 machte. Entsprechend stellt sich die Frage, ob und wie weit dieses System bis heute überlebt hat. Carol R. Ember und Melvin Ember zufolge ist das Kula immer noch eine bedeutende Institution im Leben der Inselbevölkerung. Sie vermelden, dass in den 60er und 70er Jahren einigen Politikern die Tatsache, dass sie Kula-Teilnehmer waren, zur Wahl in das nationale Parlament von Papua Neuguinea verhalf.188
Nach Carol R. Ember und Melvin Ember 1995, 209.
Abbildung 13: Die melanesischen Inseln, zwischen denen Handelsbeziehungen nach dem Kula-System existieren. Die soulava (Halsketten aus roten Muscheln) wandern in der Uhrzeigerrichtung, die mwali (Armreifen aus weissen Muscheln) in der Gegenuhrzeigerrichtung (aus Malinowski 1984, 114).
Abbildung 13: Die melanesischen Inseln, zwischen denen Handelsbeziehungen nach dem Kula-System existieren. Die soulava (Halsketten aus roten Muscheln) wandern in der Uhrzeigerrichtung, die mwali (Armreifen aus weissen Muscheln) in der Gegenuhrzeigerrichtung (aus Malinowski 1984, 114).
3
Negative Reziprozität: Sie ist das “unsoziale” Extrem am andern Ende der Skala, indem es hier um den Versuch geht, mehr zu erhalten, als gegeben wird, oder evtl. sogar etwas ohne entsprechende Gegenleistung und ohne Strafe zu bekommen. In Form eines Tauschhandels, bei dem gefeilscht wird, nehmen solche Transaktionen einen sehr unpersönlichen, stark wirtschaftlichen Charakter an; sie kommen damit zweifellos dem ökonomischen Verhalten im modernen Sinne am nächsten. Im Extremfall können sie, aus unserer Perspektive gesehen, “krimineller” Natur sein und in Betrug oder Diebstahl bestehen. Teilnehmer sind in diesem Fall Nicht-Verwandte oder Fremde, die sich mit einander entgegengesetzten Interessen gegenüberstehen und ihre Selbstinteressen zu verteidigen suchen.
5.2 Redistribution in politischen Gesellschaften
5.3 Handel in den politischen Gesellschaften der Antike und des Mittelalters
5.3.1 Ökonomik versus Chrematistik
5.3.2 Märkte und Messen
5.3.3 Die Kaufleute
5.3.4 Gerechte Preise
5.4 Vom Merkantilismus zum Industriekapitalismus: Der Weg zur neuzeitlichen Marktwirtschaft
5.4.1 Der Merkantilismus und der Binnenmarkt
5.4.2 Vom Kolonialismus zum Industriekapitalismus
6 Zur ökonomischen Standardtheorie
6.1 Einige dogmengeschichtliche Hintergründe
6.2 Einige grundlegende Elemente der Theorie
7 Die Berücksichtigung der natürlichen Umwelt
7.1 Umweltökonomie
7.1.1 Der wohlfahrtsökonomische Ansatz
7.1.2 Der eigentumsrechtliche Ansatz
7.2 Ökologische Ökonomie
7.2.1 Das Konzept der Energie-Verkörperung von Gonzague Pillet
7.2.2 Das Konzept des Naturkapitals von Herman E. Daly
8 Die kulturelle Einbettung der Ökonomie
8.1 Eine Typologie wirtschaftsethischer Denkmuster (Ulrich Thielemann)
8.2 Das Konzept einer kulturellen Ökonomie (Joachim Schütz)
9 Die Globalisierung: Chance oder Risiko? Ein fiktives Gespräch
Zitierte Literatur