www.humanecology.ch · Skripten 1998/99 · Soziales

5.2.3 Höhepunkt der Sklaverei

Auch hinsichtlich der Sklavenhaltung ist die römische Situation eine übersteigerte Fortsetzung dessen, was wir schon im Zusammenhang mit Mesopotamien kennengelernt haben (vgl. 5.1.2). Mit der Zeit wuchs die Zahl der Sklaven ins Ungeheuerliche. Zu Beginn der Kaiserzeit (27 v.u.Z.) soll ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung Roms 50-60% betragen haben.53 Woher kamen sie? Weitaus die meisten waren Kriegsgefangene - tatsächlich war auch das wichtigste Ziel der fast permanenten Kriegsführung die Gewinnung von Sklaven. Weitere Quellen waren: die Seeräuberei, die Schuldsklaverei (auf die wir ebenfalls schon im Zusammenhang mit Mesopotamien gestossen sind), die Rettung von ausgesetzten Kindern oder der Verkauf von Kindern, die strafweise Herabsetzung in den Sklavenstand (im Falle von Männern z.B. infolge des Versuchs, sich vom Kriegsdienst zu drücken, im Falle von Frauen z.B. nach vom Gatten nicht erlaubtem sexuellem Verkehr mit einem Sklaven) und auch die Umwandlung von Todesstrafen.54 Die Sklaven waren für die Römer so wichtig, weil sie der festen Überzeugung waren, dass “normale” Menschen keine manuelle Arbeit ausführen sollten. Damit aber gab es auch keine technischen Weiterentwicklungen, weil kein Interesse an der Verbesserung der Produktionsmittel bestand.55 Für die Römer gab es für die Distanzierung von der Arbeit auch keine “höheren” Gründe wie für die Griechen:
Bei den Griechen, die auch nicht über den Schatten der Sklaverei hinwegspringen konnten, herrschte zumindest die Überzeugung, dass man Sklaven haben müsse, um mehr Zeit zum Denken zu gewinnen. Die griechische Philosophie war eine bewusste Rechtfertigung der Sklavenarbeit: ohne Sklaven keine Demokratie, ohne Demokratie keine Kunst, Wissenschaft, Kultur.56
Sklaven wurden vor allem in den ritterlichen und senatorischen landwirtschaftlichen Grossbetrieben, den sog. Latifundien, eingesetzt. Diese waren im 3. Jh. v.u.Z. durch die Aggregation von kleinbäuerlichen Betrieben entstanden.57 Sie stellten patriarchal organisierte Grosshaushalte in Form von Produktions- und Konsumorganisationen dar und vermittelten ein Abbild der gesellschaftlichen Schichtung, indem sie aus der Oberschicht-Kernfamilie und in Form von Satellitenhaushalten aus assoziierten Unterschicht-Kernfamilien und den Sklaven bestanden.58 Viele Mitglieder solcher Grosshaushalte blieben zeitlebens ledig, bzw. hatten, wie die Sklaven gar kein Recht, eine Familie zu gründen.59 Der Hausvater übte eine vollständige Herrschaft über alle Hausgenossen, insbesondere aber über die Frauen und die Sklaven aus. Mit der Zeit wurden allerdings auch Gesetze eingeführt, die den Sklaven einen gewissen Schutz vor Willkürakten boten.60

Anmerkungen

53
Nach Borneman 1984, 372.
54
Siehe Bornem an 1984, 373-375, 384.
55
Vgl. Borneman 1984, 372.
56
Borneman 1984, 372.
57
Nach Borneman 1984, 367.
58
Siehe Held 1978, 46-47.
59
Vgl. Knibiehler 1996, 39.
60
Siehe Borneman 1984, 376.