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Weltbilder

Weltbilder

Einführung
1. Begriffliches und Grundsätzliches
1.1 Was ist ein Weltbild?
1.2 Alternative Bezeichnungen
1.3 Gibt es eine Logik des Weltbildwandels?13
Dieser Abschnitt ist mit Änderungen übernommen aus Dieter Steiner 1996: 18-21.
1.4 Ein idealtypisches Schema
1.5 Parallelisierung von Weltbildarten, Bewusstseinsstufen und Gesellschaftstypen
1.5.1 Nicht-hierarchisches Weltbild
1.5.2 Holistisch-organismisches und atomistisch-mechanistisches Weltbild
1.5.3 Relational-evolutionäres Weltbild
2. Holismus versus Atomismus: Zwei Weltbilder im Widerstreit41
Dieses Kapitel ist mit Änderungen übernommen aus Steiner 1996: 28-38.
2.1 Zwei Kulturen
Das holistisch-organismische Weltbild stellt in Form verschiedener Varianten eine wesentliche kulturelle Grundlage der politischen Gesellschaften der Antike und des Mittelalters dar, während das atomistisch-mechanistische Weltbild sich als dominierende Sichtweise der neuzeitlichen ökonomischen Gesellschaft etabliert. Dabei ist mit dieser zeitlichen Abfolge zwar die Regel, aber keine Ausschliesslichkeit behauptet: In beiden Phasen der kulturellen Evolution traten denn auch zeitweise "Gegenkulturen" auf. Einerseits gab es atomistische Vorstellungen auch schon in der griechischen Antike. Z.B. waren Leukipp und sein Schüler Demokrit (ca. 470-360 v.u.Z.) der Auffassung, die Erscheinungen dieser Welt (auch menschliche Körper und Seelen) seien nach einem Baukastenprinzip aus winzigen, unteilbaren, unvergänglichen und unveränderlichen Körperchen zusammengesetzt. Sie trafen auch schon eine Unterscheidung zwischen wirklichen und scheinbaren Eigenschaften der Dinge, eine Unterscheidung, die später mit der Rede von primären versus sekundäre Eigenschaften wieder auftaucht (siehe 2.2).42
Vgl. z.B. Hans Joachim Störig 1985: 140-141.
Umgekehrt wurden in der Neuzeit immer wieder auch holistische Ansätze vertreten. Als Beispiele seien genannt:
·
Im Bereich der Philosophie erstens die Zeit des Deutschen Idealismus mit Fichte (1762-1814), Hegel (1770-1831) und Schelling (1775-1854)43
Siehe dazu z.B. Störig 1985: 438 ff.
und zweitens die Naturphilosophie von Adolf Meyer-Abich (1893-1971)44
Vgl. Meyer-Abich 1992.
;
·
Im Bereich der Biologie, einer wissenschaftlichen Disziplin, die sich nie durchgehend mit dem atomistischen Denken befreunden konnte, die Auffassungen von Goethe (1749-1832)45
Siehe z.B. Konrad Dietzfelbinger 1982.
, von Hans Driesch (1867-1941)46
Vgl. z.B. Gordon Rattray Taylor 1963: 255 ff.
und von Jakob von Uexküll (1864-1944)47
Siehe dazu Jakob von Uexküll 1980.
.
·
Ganz allgemein haben sich die Geisteswissenschaften mit dem neuzeitlichen Weltbild nie ganz identifizieren mögen. Sie haben sich in ihrer Zugangsweise zu den Objekten ihrer Untersuchung immer wieder so sehr von den Naturwissenschaften unterschieden, dass der englische Wissenschaftler und Schriftsteller Charles P. Snow in einem Vortrag 1959 die Existenz von "zwei Kulturen" diagnostizieren konnte.48
Siehe Charles P. Snow 1993a: 4. Genauer genommen redete Snow von den "scientists" einerseits und den "literary intellectuals" andererseits (Snow 1993a: 4). Mit den ersteren meinte er klarerweise die NaturwissenchaftlerInnen, während er bei den letzteren ursprünglich eigentlich an nicht-akademische literarische Personen dachte. In gewisser Erweiterung der Snowschen Gedanken darf man aber wohl beim Bereich der "Literatur" das einschliessen, was an den angelsächsischen Hochschulen als "humanities" bekannt ist (vgl. die Einführung von Stefan Collini in Snow 1993a: li). Später hat dann Snow in den Sozialwissenschaften noch eine "dritte Kultur" identifziert (siehe Snow 1993b: 70).
Jedenfalls: Trotz aller zeitweisen Dominanz des einen oder des andern Weltbildes scheint es auch berechtigt zu sein, von einem Widerstreit der beiden zu reden. Die in Abbildung 3 gezeigte Gegenüberstellung von Begriffen, die einerseits zur Ebene des Ganzen, andererseits zur Ebene der Teile gehören, soll in einfacher Weise die Gegensätzlichkeit gewisser wichtiger Grundprinzipien bei den beiden Weltbildern illustrieren. Eine weitergehende Gegenüberstellung verschiedener Aspekte findet sich in Tabelle 3.
Abbildung 3: Einige Gegensatzpaare zur vergleichenden Charakterisierung des holistisch-organismischen und des atomistisch-mechanistischen Weltbildes
Abbildung 3: Einige Gegensatzpaare zur vergleichenden Charakterisierung des holistisch-organismischen und des atomistisch-mechanistischen Weltbildes
Tabelle 3: Verschiedene Aspekte der beiden gegenläufigen Weltbilder im Vergleich
Art des Aspektes
Holistisch-organismisches Weltbild
Atomistisch-mechanistisches Weltbild
Ideologie
Holismus
Atomismus
Metapher
Welt als Lebewesen
Welt als Maschine
Art der Hierarchie
Regulativ
Konstitutiv
Kausalitätsrichtung
Von oben nach unten
Von unten nach oben
Erklärungsschema
Zerlegung: Ganzes ---> Teile
Aufbau: Teile ---> Ganzes
Rückführbarkeit der Phänomene
Nach oben
Nach unten (Reduktionismus)
Charakteristik des Ganzen
Vorgegebenes Muster
Epiphänomen
Eigenschaften der Teile
Von Stellung im Ganzen bestimmt
Wesentlich, den Teilen inhärent
Stil der Interaktion
Partizipation durch Anpassen und Einfügen
Manipulation mittels Kontrolle und Vorhersage
Typisches mathematisches Rüstzeug
Geometrie
Infinitesimalrechnung
Art des Denkens
Final (auf Zwecke gerichtet)
Kausal (Ursache ---> Wirkung)
Typische Frage
Wozu?
Wie?
Bewertbarkeit der Phänomene
Werturteile sind inhärent
Wertfreiheit der Wissenschaft postuliert
Schluss vom Sein auf das Sollen
Möglich oder gar notwendig
Nicht möglich
Mensch und Umwelt
Sind noch seelisch verbunden
Stehen sich als Subjekt und Objekt gegenüber
Betonung im sozialen Bereich
Auf Gemeinschaft
Individuum
Zeitwahrnehmung
Zyklisch, statisch
Linear, fortschreitend
2.2 Geist versus Materie
2.3 Zwecke versus Ursachen
2.4 Werte versus Fakten
2.5 Konsequenzen für das Mensch-Umwelt-Verhältnis
3. Überwindung der Gegensätze: Archaisches in Vergangenheit und Zukunft97
Dieses Kapitel ist mit Änderungen übernommen aus Steiner 1996: 38-49.
3.1 Das undifferenzierte Weltbild der archaisch-matrizentrischen Zeit
3.2 Leben ist mehr als Sprache
3.3 Die Dualität des relationalen Weltbildes
3.4 Warum der Zusatz "evolutionär"?
3.5 Verbindung zwischen Zwecken und Ursachen
3.6 Versöhnung zwischen Werten und Fakten
3.7 Die ökologische Vernunft kann nicht etwas Beliebiges sein
4. Rolle und Bedeutung der Deutungssysteme Religion, Philosophie und Wissenschaft171
Dieses Kapitel ist mit Änderungen übernommen aus Steiner 1998.
4.1 Der heutige Orientierungsverlust
4.2 Die "seelisch-geistige Nahrungskette"
4.3 Zu den "Nahrungsunterbrüchen" und ihrer Überwindung
4.3.1 Wissenschaft
4.3.2 Philosophie
4.3.3 Religion
Zitierte Literatur