Wie schon erwähnt, lebt das Wirtschaftssystem des Merkantilismus wesentlich auch vom Handel mit den Kolonien bzw. von deren Ausbeutung. Diese müssen alles ins Mutterland exportieren, alles aus dem Mutterland importieren und dürfen auch nicht in Wettbewerb zu ihm
treten.234Vgl.Sée 1948, 122-123.
Die ungeheure Ausdehnung des europäischen Handelsnetzes, die damit verbunden ist, zeigt Abb.18. Zuerst haben in dieser Beziehung bis ins 16. Jh. die grossen Seemächte Spanien und Portugal eine kommerzielle Vormachtstellung, die sie sich durch die Verteidigung von kolonialen Handelsmonopolen zu erhalten versuchen. Schon während dieser Zeit aber wird diese Stellung durch von den Franzosen, Engländern und Holländern betriebenen Schleichhandel immer wieder unterlaufen. Auch Piraterie, bei der man sich die Beute gegenseitig abjagt, ist gang und gäbe. Sombart ist der Meinung, der Raub (zu dem er auch den Schmuggel zählt) sei eine wichtige Quelle des modernen
Kapitalismus!235Siehe Sée 1948, 71, 120.
Das Resultat aber: “Spanien, welches das merkantilistische System und das Prinzip des Monopols des Mutterlandes bis zum Äussersten, um nicht zu sagen bis zum Absurden trieb, musste seine Blindheit mit seinem Ruin
bezahlen.”236Sée 1948, 131.
Im 17. Jh. übernimmt Holland die führende Rolle und Amsterdam wird zum grossen Geldmarkt Europas. Für lange Zeit ist damit Holland das Symbol des Handels- und Finanzkapitalismus. Nach 1750 aber kommt es zu seinem Niedergang und nun rückt England in eine maritim-koloniale und kommerzielle Vormachtstellung
auf.237Vgl. Sée 1948, 70, 80.
Warum es gerade diese beiden Länder sind, in denen diese Entwicklung des Kapitalismus geschieht, warum z.B. Frankreich hintennach hinkt, dies wird von Sombart mit den Juden erklärt, die sich zuerst, vom Ende des 16. Jh. an, in Holland und danach, im Laufe des 17. Jh. in England niedergelassen hätten. Max Weber hingegen vertritt die Auffassung, die Calvinisten bzw. die Puritaner hätten hier eine entscheidende Rolle gespielt (vgl.
2.4.6).238Nach Sée 1948, 112.